Wie Bakterien ohne Nahrung schwimmen – und warum das für das Klima wichtig ist
Meeresbakterien steuern die CO2-Speicherung in den Ozeanen, indem sie absinkende Partikel aufspüren und abbauen, die sonst Jahrtausende im Ozean verbleiben würden. Forschende haben nun herausgefunden, dass einige Bakterien auf der Suche nach diesen Partikeln auf Kosten ihrer Körpermasse tagelang ohne Nahrung auskommen können. Die Erforschung dieses Prozesses könnte dazu beitragen, die Kohlenstoffspeicherkapazität der Meere besser vorherzusagen und den Klimawandel abzuschwächen.

«Schwimmen oder nicht schwimmen? Das scheint unter Bakterien bei Nahrungsmangel eine Grundsatzfrage zu sein», erklärt Roman Stocker, Professor am Institut für Umweltingenieurwissenschaften der ETH Zürich. «Herrscht Nahrungsmangel, kann es sich lohnen, zu neuen, ergiebigeren Ufern aufzubrechen. Schwimmen kostet Meeresbakterien jedoch viel Kraft. Die Entscheidung dafür birgt ebenso hohe Chancen wie Risiken.» Ein interdisziplinäres Forschungsteam der ETH Zürich, der EAWAG und der Universität Wien untersuchte dieses Problem in Experimenten mit vielen verschiedenen Bakterienarten. Dabei entzogen die Forschenden den Bakterien die Nahrung und beobachteten unter dem Mikroskop ihr Schwimmverhalten. Das Ergebnis: Die Bakterien hörten schon nach wenigen Stunden des Nahrungsentzugs entweder ganz auf zu schwimmen, oder schwammen mindestens zwei Tage, manche sogar eine ganze Woche weiter.
Bakterien – verkappte Marathonläufer
«Wir fragten uns schon eine ganze Weile, woher Bakterien ohne Nahrung die Energie nehmen, um weiterzuschwimmen», sagt Dr. Johannes Keegstra, Hauptautor der Studie. Mithilfe moderner Technologien zur Gewichtsbestimmung der Bakterien stellte sich heraus, dass diese pro geschwommenem Tag knapp zehn Prozent ihrer Biomasse verlieren. «Ähnlich wie Marathonläufer wandeln sie ihre Biomassereserven in Energie um und schwimmen so immer weiter.» Es zeigte sich, dass Meeresbakterien unter Nahrungsentzug zwei unterschiedliche Strategien anwenden: Während risikoscheue Arten sich nicht mehr bewegen und auf bessere Zeiten warten, um Energie zu sparen, nehmen die risikofreudigen einen Masseverlust in Kauf, in der Hoffnung, ihn bei Erreichen eines Partikels wieder wettmachen zu können.
Von der Verhaltensforschung zum Klimaschutz
Das Team nutzte die Informationen auf den DNS-Sequenzen der Bakterienarten, um das Verhalten anderer Bakterien vorherzusagen. Anhand von Sequenzdaten aus Feldproben stellten sie unter anderem Thesen auf, welche Strategien in welchen Meeresregionen vorherrschen. Dies kann bei der Modellierung von Kohlenstoffspeichern hilfreich sein. Denn in mathematischen Modellen, die die Umwandlung verschiedener Kohlenstoffformen wie CO2 im Meer beschreiben, werden Bakterien oft vernachlässigt. «Wenn wir daraus Vorhersagemodelle entwickeln wollen, müssen wir das Verhalten detaillierter beschreiben», erklärt Martin Ackermann, Professor an der ETH Zürich und Direktor der Eawag. Keegstra ergänzt: «Das Problem ist, dass jede Art anders ist. Wo also anfangen? Mit solchen generalisierenden Prinzipien versuchen wir aktuell herauszufinden, wie wir Vorhersagen zum Kohlenstoffzyklus verbessern können.»
Literaturhinweis
Keegstra, J.M., Landry, Z.C., Zweifel, S.T., Roller, B.R.K., Baumgartner, D.A., Carrara, F., Martínez-Pérez, C., Clerc, E.E., Ackermann, M., Stocker, R.
externe Seite Risk–reward trade-off during carbon starvation generates dichotomy in motility endurance among marine bacteria.
Nature Microbiology (2025), doi: 10.1038/s41564-025-01997-7
Links
Kontakt
Professur Grundwasser & Hydromech.
Laura-Hezner-Weg 7
8093
Zürich
Schweiz