Der Korrosion auf der Spur

Metallkorrosion begleitet die Menschheit seit Jahrtausenden – und stellt uns bis heute vor grosse Herausforderungen. Ueli Angst erforscht, wie wir dieses Phänomen besser verstehen und kontrollieren können. Zwei Start-ups, die aus seiner Forschungsgruppe hervorgegangen sind, entwickeln bereits innovative Lösungen. Anlässlich seiner Beförderung zum Ausserordentlichen Professor haben wir ihn zu seinen aktuellen Schwerpunkten in der Forschung und Lehre befragt. 

Ueli Angst Portraet

Professor Angst, herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Beförderung an der ETH Zürich! Wo liegen Ihre aktuellen Forschungsinteressen?

Ich befasse mich weiterhin intensiv mit der Korrosion von Metallen. Dieses Phänomen ist faszinierend – es begleitet die Menschheit bereits seit Jahrtausenden, seit dem Übergang von der Stein- zur Bronzezeit. Metallkorrosion wirkt sich in zahlreichen Lebensbereichen aus. Für mich liegt der Fokus auf den (elektro-)chemischen und physikalischen Prozessen an der Grenzfläche des Metalls und des angrenzenden Mediums. Besonders spannend – weil komplex und nach wie vor grösstenteils unverstanden – ist der Fall «Metall in porösem Medium». Dies betrifft Stahl in Beton, Metalle im Erdboden wie in geotechnischen Anwendungen oder bei Rohrleitungen, Systeme zur Endlagerung radioaktiver Abfälle, etc. bis hin zur Degradation von archäologischen Artefakten im Erdboden.

Welchen «Impact» hat Ihre Forschung auf die Gesellschaft?

Die direkten globalen Kosten durch Korrosion werden auf 2,5 Billionen US-Dollar geschätzt, was rund 3-4% des globalen BIP entspricht. Ich bin überzeugt, dass man dieses Geld für die Bewältigung anderer Herausforderungen unserer Zeit besser brauchen könnte. Technologischer Fortschritt im Sinne besserer Korrosionsdiagnosen und besserem Korrosionsschutz ist hier dringend notwendig. Darüber hinaus hat die Korrosion Auswirkungen auf die Umwelt. Sie verringert die Lebensdauer von Strukturen wie Brücken, Pipelines oder Windkraftanlagen, was den Ressourcenverbrauch, die Energiebelastung und die Emissionen bei der Herstellung neuer Materialien erhöht. Ausserdem können korrodierende Anlagen giftige Stoffe in Boden, Wasser und Luft freisetzen.

Vor Ihrer Zeit als Professor an der ETH waren Sie in der Industrie tätig. Wie hat Sie dieser Werdegang geprägt?

Die Tätigkeit als beratender Ingenieur hat mich stark geprägt. Ich bin sehr froh, dass ich die Gelegenheit hatte, die Herausforderungen der Ingenieurpraxis direkt und selbst zu erleben und diese nun mit wissenschaftlichen Methoden angehen zu dürfen.

Vergrösserte Ansicht: Ueli Angst mit Mitarbeiterin im Labor
Im Korrosionslabor an der ETH Zürich führen Ueli Angst und seine Mitarbeitenden elektrochemische Messungen durch. (Foto: WSS, Oliver Lang Fotografie)

Es sind zwei Start-ups aus Ihrer Forschungsgruppe hervorgegangen. Wie setzen diese Unternehmen die Ergebnisse Ihrer Forschung in die Praxis um?

Das erste Spin-off, die 2021 gegründete DuraMon AG, bietet eine kommerzielle Sensorlösung zum Monitoring der Korrosion und Dauerhaftigkeit von Stahlbetonbauwerken an. Für mich ist besonders, dass diese Firma aus der Forschung hervorging, die durch meinen ersten SNF-Projektantrag ermöglicht wurde. Heute hat DuraMon bereits über 1000 Sensoren in Bauwerken eingebaut und misst täglich tausende von Messwerten. Während diese Daten den Bauwerksbesitzern wertvolle Informationen über den Zustand liefern und es ermöglichen, Schäden zu antizipieren und rechtzeitig zu handeln, fasziniert mich vor allem der Datengewinn. Ich erwarte, dass wir aus dieser grossen Datenmenge über das Verhalten von Bauwerken unter «echten Bedingungen» künftig noch sehr viel über die Schädigungsmechanismen lernen können.

Das zweite Spin-off, Talpa Inspections, ist noch sehr jung. Es bietet innovative Lösungen zur Bauwerksinspektion an. Dabei werden elektrochemische Messverfahren mit Automation und Robotik kombiniert, um schwer zugängliche Bereiche von Bauwerken zerstörungsfrei zu inspizieren. So können Schäden wie Korrosion viel effizienter und frühzeitiger detektiert werden, als das heute der Fall ist.

Welche Lehrveranstaltungen finden Sie am spannendsten?

Am meisten mag ich Lehrveranstaltungen, bei denen man Korrosionswissen direkt auf praktische Ingenieurfragen anwenden kann, z.B. bei Stahlbeton- oder Stahlbauwerken. Ich habe festgestellt, dass Schadensfälle von Studierenden oft als äusserst spannend empfunden werden. Ich finde es daher besonders erfüllend, zukünftigen Ingenieurinnen und Ingenieuren zu vermitteln, wie sie ihr Verständnis von Korrosion nutzen können, um Schäden zu vermeiden.

Ueli Angst mit seinem Hund

Was machen Sie, wenn Sie ein paar Minuten Zeit haben?

Ich benötige wohl etwas mehr «Auslauf» als der Durchschnittsmensch, somit bewege ich mich nach Möglichkeit in der Natur, z.B. mit unserem Hund oder mit meiner Familie. Die Zeit, die neben der ETH oder anderen beruflichen Engagements bleibt, verbringe ich fast ausschliesslich mit meiner Familie und meinen drei Kindern.

Welches Buch, welchen Podcast oder welchen Film im Zusammenhang mit Ihrem Forschungsfeld würden Sie Studierenden sowie Kolleginnen und Kollegen empfehlen?

Ein unterhaltsames Buch ist «Rust: The Longest War» von Jonathan Waldman. Das Buch beschreibt auf eine nicht-technische Art und anhand von diversen spannenden Anekdoten den Kampf der Menschheit gegen Korrosion – von der Instandhaltung monumentaler Bauwerke wie der Freiheitsstatue (die beinahe daran zugrunde ging) in den USA bis hin zu den Problemen, von denen Ölpipelines, Konservendosen oder Schiffe betroffen sind.

Welchen Rat würden Sie Studierenden geben, die gerade erst in die Ingenieurwissenschaften einsteigen?

Das Bauingenieurwesen steckt mitten in einem tiefgreifenden Wandel. Der Druck, die Umweltauswirkungen zu reduzieren, die Alterung der Infrastruktur, die Digitalisierung und Automatisierung, moderne und zirkuläre Werkstoffe – all das sind spannende Fragen. Holt Euch das Rüstzeug dazu, namentlich die theoretischen Grundlagen, auch wenn deren Aneignung womöglich aus heutiger Sicht mühsam erscheinen mag.

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