Vom Studenten zum Professor

Stephan Pfister ist seit mehr als 20 Jahren an der ETH Zürich – zunächst als Student und dann als Experte für Umweltingenieurwissenschaften. Anlässlich seiner Beförderung zum Titularprofessor am D-BAUG haben wir ihn zu seinen derzeitigen Schwerpunkten in Forschung und Lehre befragt.

von Iris Mickein
Stephan Pfister photo

Professor Pfister, herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Beförderung an der ETH. Wo liegen derzeit Ihre Forschungsinteressen?
Vielen Dank! Es ist mir eine grosse Ehre, denn die ETH ist definitiv eine der besten Universitäten weltweit – und gleichzeitig meine wissenschaftliche Heimat. Grundsätzlich forsche ich auf dem sehr weiten und fachübergreifenden Gebiet der quantitativen Nachhaltigkeitsbewertung. Viele Projekte, die ich als Doktorand bzw. Postdoktorand begonnen habe, befassen sich noch mit nachhaltiger Lebensmittelproduktion und Lieferketten. Der Fokus meiner aktuellen Projekte liegt auf (1) einer besseren Analyse der Biodiversität bei der weltweiten Landnutzung (insbesondere in Forst- und Landwirtschaft sowie Bergbau), (2) Nährstoffkreisläufen in der Nutzpflanzenproduktion, (3) detaillierten Wirkungsanalysen der aktuellen und künftigen Lithiumförderung in Salzsolen, (4) verbesserten Verfahren zur Wirkungsanalyse entlang der Wertschöpfungskette und (5) der Kombination von Methoden der Ökobilanz (LCA) mit Systemdynamik und integrierten Bewertungsmodellen. Zudem freue ich mich auf den Start von drei neuen interdisziplinären Projekten zur Kombination von LCA mit der Erforschung von Extremereignissen in städtischen Wassersystemen, agentenbasierten Modellen für die Raumplanung und nachhaltigen photonischen Geräten.

Wie wirkt sich Ihre Forschung auf die Gesellschaft aus?
Meine Forschung zum Wasserfussabdruck sowie zur Nahrungsmittel-LCA ist breitflächig in die Nahrungsmittelindustrie und die ISO-Norm zum Wasserfussabdruck eingeflossen. Auch das Bundesamt für Umwelt und Unternehmen stützen sich in verschiedenen Berichten darauf. Durch Beiträge zu Publikationen von UNEP, FAO und IPBES gelangen die Erkenntnisse in die Gesellschaft. Mir ist aber bewusst, dass ich als Forscher nur Wissen entwickle und bereitstelle, die Menschheit aber auch von vielen anderen Faktoren wie der Wirtschaft, Kultur und Überzeugungen beeinflusst wird.

Wo waren Sie tätig, bevor Sie zur ETH kamen?
Genau genommen arbeite ich – mit einigen Unterbrechungen – seit knapp 20 Jahren an der ETH. Nach der Matura habe ich ein halbes Jahr gejobbt, um Geld für das Studium der Umweltingenieurwissenschaften am D-BAUG zu sparen. So kam ich im September 2000 an die ETH. Ab der zweiten Hälfte meines Studiums hatte ich eine Assistentenstelle an der Uni inne. Nach dem Abschluss absolvierte ich meinen Zivildienst bei einem Forschungsprojekt in Hanoi, Vietnam, bevor ich dann eine Stelle als wissenschaftlicher Assistent von Prof. Dr. Stefanie Hellweg am Lehrstuhl für Ökologisches Systemdesign (ESD) der ETH antrat. Kurz darauf begann ich mit meiner Doktorarbeit, in deren Rahmen ich das Konzept des Wasserfussabdrucks unter Berücksichtigung der Wasserknappheit entwickelte. Nach der Promotion verschlug es mich 2011 als Postdoktorand für ein Jahr in die USA an die UC Santa Barbara, wo ich meine Forschung auf multiregionale Input-Output-Analyse ausweitete. Anschliessend kehrte ich als Postdoktorand und später als leitender wissenschaftlicher Mitarbeiter zur ESD Group zurück, wo ich 2017 das Glück hatte, unbefristet angestellt zu werden.

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Feldbesuch bei Goldschüfern in Simbabwe (November 2018)

Welche Kurse finden Sie an der ETH am spannendsten?
Ich liebe all meine Aufgaben als Dozent und Tutor, die meine Arbeit wirklich bereichern. Wenn Sie mich konkret nach Kursen fragen, mag ich am liebsten «Environmental Computer Lab I & II», wo die Studierenden ihr Wissen aus der Veranstaltung für fortgeschrittene Umweltanalysen in praktischen Übungen und Analysen anwenden müssen, durch die sie kritisches, unvoreingenommenes Denken erlernen sollen.

Was machen Sie, wenn Sie ein paar Minuten Zeit haben?
Ich verbringe meine Zeit – und definitiv mehr als nur ein paar Minuten – am liebsten mit meiner Familie und Freunden. Ich liebe es, mit meinen Kindern zu spielen und sie aufwachsen zu sehen. Wenn ich mehr als ein paar Minuten habe, treibe ich Sport und trainiere eine Jungendhandballmannschaft meiner Heimatstadt.

Haben Sie eine Lebensphilosophie oder ein Lebensmotto?
Ich bin der Meinung, dass ein Problem im Grunde der zündende Funke für die Lösungsfindung ist. Natürlich ist es wichtig, sich Probleme oder Fehler genau anzusehen, doch sollten wir uns meiner Überzeugung nach stärker auf ihre Lösung konzentrieren, als uns darüber zu beschweren. Genau das ist der Kern aller Ingenieurwissenschaften: Das Ziel liegt immer darin, die Lösung zu einem Problem zu finden. Für meine Forschung bedeutet das, das nützlichste verfügbare Wissen zu erarbeiten, zu kombinieren und voranzubringen, um es Entscheidungsträgern und Praxis bereitzustellen.

Aber auch über Ingenieurwissenschaften und meine Forschung hinaus glaube ich, dass dieser Ansatz im gesellschaftlichen Miteinander von mindestens ebenso grosser Bedeutung ist. Ich versuche immer, Probleme konstruktiv und lösungsorientiert anzugehen. Dabei ist es mir wichtig, fair, respektvoll, offen und empathisch zu sein. Insbesondere setze ich mich gegen unethisches und diskriminierendes Verhalten ein.

«Als Studierende haben Sie viele Freiheiten, aber damit einhergehend auch viel Verantwortung – es ist Ihr Leben, Ihr Studium.»
Stephan Pfister

Was raten Sie Studierenden, die gerade in die Umweltingenieurwissenschaften einsteigen?

Seien Sie neugierig und ernsthaft bei der Sache. Als Studierende der ETH geniessen Sie eine nahezu kostenlose Ausbildung auf einem überaus interessanten Gebiet. Sie können Ihre Vertiefungsfächer und einzelnen Kurse aus einem breiten Spektrum an Disziplinen zusammenstellen. Anfangs sollten Sie sich einen Überblick verschaffen und herausfinden, wo Ihre Hauptinteressen liegen. In diese können Sie dann investieren und Ihre Berufslaufbahn beginnen. Als Studierende haben Sie viele Freiheiten, aber damit einhergehend auch viel Verantwortung – es ist Ihr Leben, Ihr Studium. Tauschen Sie sich mit Studierenden höherer Semester in Ihrem Studiengang und darüber hinaus aus, und erkunden Sie andere Möglichkeiten – etwa das Student Project House oder Austauschprogramme.

Welches Buch oder welchen Film oder Podcast würden Sie Ihren Studierenden und Ihrem Kollegium zu Ihrem Forschungsgebiet empfehlen?
«More Than Honey» von Markus Imhoof ist ein toller Film über Umweltthemen im Allgemeinen und Honigbienen im Besonderen, der in faszinierenden Bildern globale wie lokale Probleme beleuchtet. Ein weiterer eindrucksvoller, aber etwas älterer und düstererer Film ist «We Feed the World» von Erwin Wagenhofer.

Prof. Dr. Stephan Pfister (*1980), ausserordentlicher Professor am D-BAUG der ETH Zürich. Stephan Pfisters Hauptinteresse gilt der Bewertung der Auswirkungen von Wasserverbrauch und Landnutzung in der Ökobilanzierung (LCA) mit Anwendungen in der Landwirtschaft und der Energieerzeugung. Seine Forschung wird nicht nur von der wissenschaftlichen Gemeinschaft, sondern auch von politischen Entscheidungsträgern anerkannt und findet praktische Anwendung.

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