Klimawandel lässt antarktische Meteoriten schwinden

In der Antarktis liegen grosse Meteoritenkonzentrationen, die den Kontinent in Schnee und Eis zu einem einzigartigen Schatz an Informationen über unser Sonnensystem machen. Doch einer neuen Studie in Nature Climate Change zufolge verschwinden die wertvollen Gesteine aufgrund der globalen Erderwärmung rasant von der Eisoberfläche.

von ETH Zürich / D-BAUG
Antarctica snow landscape
Die Sonneneinstrahlung erwärmt die Oberfläche einer blauen Eisfläche. Foto aufgenommen während der Feldforschungsmission 2023-2024 des Instituto Antártico Chileno (INACH) zum Union Glacier, Ellsworth Mountains, Antarktis. Foto: Veronica Tollenaar, Université Libre de Bruxelles).

Jedes Mal, wenn sich die globale Lufttemperatur um ein Zehntelgrad erhöht, verschwinden knapp 9'000 Meteoriten von der Oberfläche des antarktischen Eisschilds. Das hat ein Team aus Forschenden aus der Schweiz und Belgien mithilfe von künstlicher Intelligenz, Satellitenbeobachtungen und Klimamodellprojektionen errechnet. Der Verlust zieht massive Konsequenzen nach sich: Schliesslich handelt es sich bei Meteoriten um einzigartige ausserirdische Gesteinsproben, die Einblicke in die Ursprünge des Lebens auf der Erde und die Entstehung des Mondes gewähren.

Rasanter Verlust

Bis 2050 dürfte ein Viertel der geschätzt 300'000 bis 800'000 Meteoriten in der Antarktis ins Eis eingeschmolzen und damit verloren sein. Bis zum Ende des Jahrhunderts gehen Forschende davon aus, dass sich diese Zahl – bei einem starken Temperaturanstieg – auf bis zu Dreiviertel der Vorkommen erhöhen könnte.

Co-Autor der in der Fachzeitschrift Nature Climate Change erschienenen Studie ist Harry Zekollari, der als Teammitglied von Prof. Daniel Farinotti in der Versuchsanstalt für Wasserbau, Hydrologie und Glaziologie am Departement Bau, Umwelt und Geomatik der ETH Zürich daran mitgearbeitet hat. Gemeinsam mit Coautorin Veronica Tollenaar von der Université Libre de Bruxelles stellt er in der Untersuchung fest, dass die kontinuierliche Erderwärmung jährlich rund 5'000 Meteoriten versinken lässt – und damit fünfmal schneller als sie geborgen werden können.

Meteoriten – Zeitkapseln des Universums

Zekollari, der heute Professor für Glaziologie an der Vrije Universiteit Brussel ist, drängt auf massive internationale Anstrengungen, um die Gesteine von höchstem wissenschaftlichen Wert zu sichern: «Wir müssen die Bergung der Meteoriten in der Antarktis intensivieren und beschleunigen. Ihr Informationsgehalt ist mit dem von Daten aus Eisbohrkernen von abschmelzenden Gletschern gleichzusetzen – und ihr Verlust ebenso dramatisch. Mit ihnen verschwindet so manches Geheimnis des Universums.»

Meteoriten sind Gesteinsfragmente aus dem Weltraum, die einzigartige Informationen über unser Sonnensystem enthalten. Auf der Erde stösst man vor allem in der Antarktis auf sie, wo bisher rund 60 Prozent aller je gefundenen Meteoriten an der Oberfläche des Eisschilds geborgen wurden. Durch die Strömung des Eisschilds sammeln sich die Meteoriten in sogenannten Meteoriten-Strandungszonen, wo sie durch ihre dunkle Schmelzkruste leicht auffallen. Neben intensiveren Massnahmen zur Meteoritenbergung liessen sich die Expeditionen kurzfristig auch effizienter gestalten. Dieses Potenzial liegt hauptsächlich in datengestützten Analysen zur Identifizierung unerschlossener Meteoritenvorkommen und Kartierung von Blaueisfeldern, wo Meteoriten oft liegen.

Einschmelzen ausserirdischer Informationsschätze

Aufgrund ihrer dunklen Färbung heizen sich Meteoriten in der sie umgebenden Eisschicht auf. Durch die Wärmeübertragung kann das Eis um sie herum und unter ihnen aufschmelzen, wodurch die Gesteine unter die Oberfläche absinken. Sind sie erst einmal in den Eisschild – sei es auch nur in geringer Tiefe – eingedrungen, sind sie nicht mehr erkennbar und damit für die Wissenschaft für immer verloren.

Mit der Lufttemperatur erwärmt sich auch das Eis, was das Absinken beschleunigt. «Trotz der zweistelligen Minusgrade des Eises heizen sich die dunklen Meteoriten in der Sonne so stark auf, dass sie das Eis direkt unter sich zum Schmelzen bringen. Dadurch entsteht eine lokale Vertiefung im Eis, sodass das Gestein mit der Zeit vollständig versinkt», sagt Tollenaar.

Die Forschenden kommen zu dem Schluss, dass der Grossteil der noch unentdeckten Meteoriten der Antarktis langfristig nur gerettet werden kann, wenn die Treibhausgasemissionen rasant gesenkt werden.

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Ein aussergewöhnlich grosser Meteorit, der im Nansen-Blaueisfeld in der Nähe der belgischen Antarktis-Forschungsstation Princess Elisabeth gefunden wurde. Video aufgenommen während der Expedition JARE-54/BELARE 2012-2013 in der Antarktis. (Video: Harry Zekollari, ETH Zürich)

Referenz

Tollenaar*, V., Zekollari*, H., Kittel, C., Farinotti, D., Lhermitte, S., Debaille, V., Goderis, S., Claeys, P., Joy, K.H., Pattyn, F. (*equal contribution).
externe SeiteAntarctic meteorite archives threatened by climate warming
Nature Climate Change (2024)
, doi: 10.1038/s41558-024-01954-y

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