Leidenschaft für die Erforschung verschiedener Disziplinen
Dr. Eleonora Secchi ist seit Juni 2023 Senior-Wissenschaftlerin am D-BAUG. Sie arbeitet am Institut für Umweltingenieurwissenschaften (IfU), wo sie erforscht, wie sich Bakterien organisieren und interagieren, um resistente Biofilme zu bilden. Ihre Erkenntnisse könnten neue Wege aufzeigen, um Biofilme zu verhindern bzw. aufzulösen – etwa auf Oberflächen von medizinischen Geräten, wo sie besonders in Spitälern ein Problem darstellen. In diesem kurzen Interview stellt sie sich vor.
Herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Berufung als leitende wissenschaftliche Mitarbeiterin an der ETH Zürich! Wo liegen derzeit Ihre Forschungsinteressen?
Herzlichen Dank! Seit Beginn meiner wissenschaftlichen Laufbahn faszinieren mich interdisziplinäre Arbeitsmethoden. Derzeit forsche ich an der Schnittstelle zwischen Flüssigkeitsdynamik, Mikrobiologie und Physik, um die physikalischen Mechanismen und Umweltfaktoren zu verstehen, die die bakterielle Oberflächenbesiedlung und Biofilmbildung auf Flüssigkeiten und feuchten Flächen steuern. Biofilme sind eine weit verbreitete Wachstumsform von Bakterien und haben einen entscheidenden Einfluss auf Umwelt, Industrie und Medizin. Meine Forschung an der ETH bringt Licht ins Dunkel der biophysikalischen Faktoren, die die Biofilmbildung steuern, und ihren Einfluss auf Strömungs- und Transporteigenschaften. Meine Forschungsgruppe erarbeitet ein umfassendes Verständnis der verschiedenen Stadien der Biofilmbildung, von der Oberflächenbesiedlung, die das Fundament für die Biofilmstruktur legt, bis zum ausgereiften Biofilm, dessen mechanische Eigenschaften und biochemische Zusammensetzung wir dann charakterisieren.
Wie wirkt sich Ihre Forschung auf die Gesellschaft aus?
Neben vielen anderen Krisen steht die Gesellschaft vor zwei Problemen: Die Wirksamkeit von Antibiotika nimmt ab, und mehr als eine Milliarde Menschen haben keinen Zugang zu Trinkwasser. Was aber haben beide Probleme gemeinsam? Biofilme – die zum einen arzneimittelresistente Krankheitserreger enthalten und zum anderen das energie- und kostenintensive Fouling von Membranen verursachen. Ziel meiner Forschung sind Erkenntnisse, wie wir das Wachstum von Biofilmen in industriellen und medizinischen Anwendungen steuern oder ihre Eigenschaften in Anwendungen wie Wasserfiltersystemen oder zur Verminderung von Umweltbelastungen nutzen können.
Mit unserer Vorgehensweise haben wir ein sehr klares Konzeptmodell der Mechanismen erstellt, die zur Bildung von Biofilmen führen, und den Einfluss von Umweltbedingungen auf die Materialeigenschaften von Biofilmen aufgezeigt. Dieser Ansatz ebnet den Weg für neue zielgerichtete Antifouling-Strategien in Medizin, Umweltschutz und Industrie.
Wo waren Sie tätig, bevor Sie zur ETH kamen?
Im Rahmen meines Ingenieurstudiums und meiner Promotion an der Polytechnischen Universität Mailand war ich als Masterstudentin sechs Monate am Fermilab in Chicago und als Doktorandin sechs Monate am MIT in Boston. In meiner Doktorarbeit lag der Forschungsschwerpunkt auf der Entwicklung optischer Techniken zur Charakterisierung weicher, biologischer Materialien. Anschliessend entwickelte ich als Postdoktorandin an der École Normale Supérieure in Paris optische Techniken zur Strömungscharakterisierung in Kohlenstoffnanoröhren. Dabei handelt es sich um vielversprechende Systeme für die Entwicklung einer neuen Generation von Wasserfiltermembranen, die beim Filtern Energie erzeugen. 2016 wechselte ich zur ETH Zürich, zunächst als Postdoktorandin, bis ich 2018 dank eines SNSF PRIMA Grants meine eigene Forschungsgruppe gründen konnte. An der ETH habe ich mich für die Erforschung von Biofilmen mithilfe zuvor entwickelter interdisziplinärer Methodiken entschieden.
Welche Kurse unterrichten Sie an der ETH?
Lehren macht mir unglaublich Spass! Kurz nachdem ich an die ETH Zürich kam, habe ich den Kurs Microfluidics for Microbial Ecology (Mikrofluidik für mikrobielle Ökologie) entworfen, den ich jetzt als Hauptdozierende unter dem Titel Experimental Microfluidics: A Short Course für Master-Studierende und Doktorierende anbiete, weil ich beim Thema mikrofluidischem Flüssigkeitstransport Wissenslücken sah. Der Kurs wird jedes Jahr angeboten. Seit dem Herbstsemester 2020 organisiere und lehre ich mitverantwortlich die Seminare Umweltingenieurwissenschaften im Rahmen des Bachelor-Studiengangs. Unser Team aus drei leitenden wissenschaftlichen Mitarbeitenden vom IfU kümmert sich um die Vorbereitung, Koordination und Durchführung des Kurses – eine tolle Erfahrung, bei der ich Studierenden das so wichtige Thema Wissenschaftskommunikation vermitteln kann. Seit dem Herbstsemester 2023 gebe ich auch den Kurs Numerical Hydraulics für Master-Studierende, in dem sie lernen, zur Vorhersage hydraulischer Prozesse Differentialgleichungen numerisch und rechnergestützt zu lösen.
Was machen Sie, wenn Sie ein paar Minuten Zeit haben?
Wandern, kochen und Yoga – alles sehr unterschiedliche Hobbies, bei denen ich sehr gut abschalten kann. Wann immer ich kann, verlassen ich den Schreibtisch und drehe eine Runde im Hönggerwald. Meistens hilft ein Tapetenwechsel, um den Kopf frei zu bekommen und Probleme mit anderen Augen zu sehen. Ich reise gerne, und versuche, wenn immer möglich, Konferenzen damit zu verbinden, um meinen CO2-Fussabdruck zu reduzieren. Ich engagiere mich auch in der Öffentlichkeitsarbeit, weil unsere Gesellschaft verstehen muss, wie wichtig und nützlich die Wissenschaft für die Bewältigung unserer Herausforderungen ist.
Was raten Sie Studierenden, die gerade in die Bauingenieurwissenschaften einsteigen?
Mein Rat lautet: Forscht mit Leidenschaft. In meinem Werdegang habe ich mich mit verschiedenen Fachgebieten und Technologien befasst und verschiedene wissenschaftliche Communities kennengelernt. So konnte ich meinen Horizont als Wissenschaftlerin erweitern und einen einzigartigen Ansatz für Problemlösungen entwickeln. Ich kann Studierenden nur empfehlen, neugierig zu sein und ebenso vorzugehen. Leider steht unser Planet vor grossen Herausforderungen. Der Reiz für Studierende sollte sein, mit Hochdruck Lösungen für diese brennenden Probleme zu finden!
Dr. Eleonora Secchi (*1986) ist Senior-Wissenschaftlerin am D-BAUG der ETH Zürich. Sie hat einen B.A. in Physical Engineering, einen M.Sc. in Nuclear Engineering und einen Ph.D. in Chemical Engineering und Industrial Chemistry von der Polytechnischen Universität Mailand. Von 2014 bis 2018 war sie Postdoktorandin, zunächst an der Ecole Normale Supérieure in Paris und dann an der ETH Zürich mit einem ETH-Postdoktorandenstipendium. Im Jahr 2018 erhielt sie ein SNF PRIMA Grant und wurde Principal Investigator und Gruppenleiterin der bioMatter Microfluidics Group am D-BAUG. Ihre Forschung zielt darauf ab, die physikalischen Mechanismen und Umweltfaktoren zu verstehen, welche die bakterielle Oberflächenbesiedlung und Biofilmbildung steuern. Sie erforscht dieses Problem mit einem hochmodernen, interdisziplinären Instrumentarium: Mit Werkzeugen aus der Mikrofluidik, der Fluiddynamik, der mikrobiellen Ökologie und der Physik versucht sie, die Eigenschaften der Biofilmbildung und -rheologie in natürlichen und industriellen Systemen zu verstehen.
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