Silvio fragt Cornelius
Cornelius Senn ist Elektroingenieur am Departement Bau, Umwelt und Geomatik und seit 38 Jahren an der ETH tätig. Im Interview erzählt er Silvio Bonaccio, warum er nicht auf den Mars möchte und weshalb seine Gäste selbst kochen müssen.
Silvio Bonaccio: Um mit der berühmten Frage von Roger Schawinski zu starten: Cornelius, wer bist du?
Cornelius Senn: Das habe ich mich auch schon oft gefragt. Am Ende ist alles ein Miteinander und ich bin ein kleines Rädchen im System.
Silvio: Gerade in einer so grossen Institution wie der ETH Zürich machen viele kleine Rädchen das Ganze und sind enorm wichtig. Wie bist du an die ETH gekommen?
Cornelius: Ich bin gelernter Konstruktionsschlosser. 1985 bin ich an die VAW gekommen, die Versuchsanstalt für Wasserbau, Hydrologie und Glaziologie der ETH. Vier Jahre später hatte ich einen schweren Motorradunfall, der alles in Frage gestellt hat. Ich habe überlebt, aber mein rechter Arm war gelähmt und ich in der Krise. Ich fragte mich: Wer bin ich und was will ich? Mein Beruf hat mich zu wenig gefordert
und ich kam zum Schluss: Ich möchte etwas machen, das mehr mit Menschen zu tun hat.
Silvio: Was kam als Nächstes?
Cornelius: Ich habe dann die Ausbildung Elektrotechnik HF gemacht, 1996 von der VAW an das ETH-Departement D-BAUG gewechselt und mir das Ziel gesetzt, die Technik und den Menschen einander näherzubringen. Nicht der Mensch soll die Technik lernen, sondern die Technik soll dem Menschen entgegenkommen.
Silvio: Auch heute arbeitest du noch in den Werkstätten des D-BAUG und stellst massgeschneiderte Geräte für Forschende her. Was begeistert dich an deinem Job?
Cornelius: Die Forschenden da abzuholen, wo sie sind, und gemeinsam einen Lösungsweg zu entwickeln, begeistert mich immer wieder aufs Neue. In der Zeit an der VAW habe ich ein Systementwickelt, das für Eismessungen bei Gletschern eingesetzt wurde. Am D-BAUG konnte ich diese Projekte weiterführen und die Glaziologen auf drei Expeditionen nach Grönland begleiten, wo unsere Messsysteme bis zu 1000 Meter tief ins Eis eingelassen wurden.
Silvio: 2018 standen wir gemeinsam auf der Bühne: Eine deiner Entwicklungen wurde für den Spark Award nominiert. Diese Auszeichnung wird jedes Jahr für die vielversprechendste Erfindung an der ETH aus dem vergangenen Jahr vergeben. Mich hat damals besonders gefreut, dass du nominiert warst, obwohl du nicht aus der Forschung kommst ...
Cornelius: Die Nominierung hat mich auch sehr gefreut und überrascht. Und sie hat mir die Möglichkeit gegeben, die Reflektoren weiterzuentwickeln.
Silvio: Was war deine Entwicklung genau?
Cornelius: Es ist ein einfacher Mechanismus, der es ermöglicht, Platten schnell und ohne Hilfsmittel wie Schrauben miteinander zu verbinden – zum Beispiel bei Reflektoren. Das Bundesamt für Umwelt gedenkt, meine Reflektoren für die Früherkennung von Naturgefahren einzusetzen. Das würde mich freuen, ist doch unser Schaffen sonst so kurzfristig und vergänglich.
Silvio: Hast du einen Tipp für andere ETH-Angehörige, die etwas entwickeln?
Cornelius: Es ist wie überall im Leben: Wenn man eine Vision hat, darf man die Hoffnung nie aufgeben. Eine Entwicklung ist stets ein Weg mit vielen kleinen Schritten. Und oftmals sind es gerade die Misserfolge, die einen wirklich weiterbringen.
Silvio: Apropos wilde Ideen: Immer mehr Nationen wollen Menschen auf den Mars bringen. Würdest du mitfliegen?
Cornelius: Nein. Schon als ich ein Kind war, schwebten Ideen zur Besiedelung des Mondes in der Luft. Ich bin dafür, dass wir unserer Erde mehr Sorge tragen, damit wir weiterhin darauf leben können, anstatt uns nach neuen Habitaten umzusehen.
Silvio: Was machst du in deiner Freizeit?
Cornelius: Ich lese und fotografiere gern, verbringe Zeit mit meiner Familie und fertige Skulpturen aus Stahl an. So kann ich Dinge visualisieren und verarbeiten. Meine erste Skulptur habe ich für meine Tochter als Geschenk zur Hochzeit angefertigt. Und ich koche.
Silvio: Für Gäste oder für dich allein?
Cornelius: Für mich allein koche ich nicht so gern. Früher habe ich oft Leute eingeladen, alles eingekauft und dann gefragt: Was kannst du gut zubereiten? Salat? Okay, du machst den Salat. So ist es ein Miteinander. Und am Ende geht es doch um die Zeit, die man miteinander verbringt.
Silvio: In knapp einem Jahr wirst du pensioniert. Hast du schon Pläne für danach?
Cornelius: Nein. Ich nehme es, wie es kommt. Noch bin ich nicht im Pensionären-Modus; ich möchte noch so viel fertigstellen. Zudem habe ich da noch so ein neues Projekt … vielleicht darf ich dir das mal zeigen?
Silvio: Gern! Es würde mich freuen, dich dann auch nochmals auf der Bühne zu sehen.
Cornelius Senn (64) ist Elektroingenieur am D-BAUG und seit 38 Jahren an der ETH tätig. Silvio Bonaccio (58) ist Leiter von ETH transfer und seit 22 Jahren an der ETH tätig. Zurzeit befindet er sich auf einem Sabbatical in den USA.
Das Interview ist in der aktuellen Ausgabe des ETH «life» Magazin erschienen.