Vom Brettsport zur Spitzenforschung

Johan Gaume ist seit Oktober 2022 ausserordentlicher Professor für Alpine Massenbewegungen am Departement Bau, Umwelt und Geomatik an der ETH Zürich. Darüber hinaus ist er auch ein ausgezeichneter Snowboarder. In diesem Willkommens-Interview erzählt Gaume, wie er mit seiner Lawinenforschung Beruf und Hobby verbindet.

Was sind Ihre aktuellen Forschungsinteressen?
Als Bergpraktiker haben mich Naturgewalten wie Lawinen schon immer fasziniert und zugleich auch eingeschüchtert – ich wollte sie besser verstehen lernen. Während ich mich in der Vergangenheit hauptsächlich auf die Modellierung von Schnee und Lawinen fokussiert habe, befasst sich meine derzeitige Forschung auch mit anderen Arten von gravitativen Massenbewegungen; so untersuchen wir Steinschläge, Murgänge, Permafrost Instabilitäten sowie die Auswirkungen des Klimawandels. Zu diesem Zweck entwickeln mein Team und ich innovative numerische Ansätze, die durch neue Labor- und Feldexperimente unterstützt werden.

Welche Auswirkungen hat Ihre Forschung auf die Gesellschaft?
Durch eine genauere Modellierung alpiner Massenbewegungen und ihrer Auswirkungen auf Infrastrukturen kann unsere Forschung die Vorhersage von Lawinen und damit verbundenen Gefahren verbessern und zur Entwicklung von nachhaltigen Schutzmassnahmen beitragen. Dies ist für die Gesellschaft von grosser Bedeutung, insbesondere vor dem Hintergrund des Klimawandels und des zunehmenden demografischen Drucks in den Alpenregionen. Wir entwickeln derzeit die nächste Generation von numerischen Modellen für Massenbewegungen, die zur Unterstützung von Ingenieurbüros und Behörden, aber auch zur Verfeinerung empirisch basierter Richtlinien in der Praxis eingesetzt werden sollen.

Wo waren Sie tätig, bevor Sie an die ETH kamen?
Ich habe mein Ingenieurstudium und Doktorat in Grenoble absolviert und war anschliessend PostDoc am WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF in Davos. 2016 kam ich als Research and Teaching Associate an die EPFL und hatte das Glück, ausgedehnte Besuch in die USA unternehmen zu können, zunächst an das Departement Mathematik an der University of California und später an das Departement Informatik an der University of Pennsylvania. 2019 wurde ich Assistenzprofessor und Leiter des Schnee- und Lawinensimulationslabors an der EPFL. Meine bisherige Arbeit an der EPFL wurde mehrheitlich vom Schweizerischen Nationalfonds finanziert, wofür ich mich an dieser Stelle herzlich bedanken möchte.

Welche Kurse werden Sie an der ETH unterrichten?
Ich werde zwei Kurse auf Masterstufe unterrichten: «Granularmechanik», ein faszinierendes wissenschaftliches Thema an der Grenze zwischen Festkörper- und Strömungsmechanik mit zahlreichen Anwendungen in der Industrie und Geophysik. Dazu möchte ich eine Klasse mit Live-Experimenten und Übungen zu partikelbasierten numerischen Methoden anbieten, die in Semesterprojekten eingesetzt werden können. Der zweite Kurs über «Alpine Massenbewegungen» wird später stattfinden und stark ingenieurwissenschaftlich ausgerichtet sein. Auf dem Programm stehen Ortsbesichtigungen, die Planung von Schutzmassnahmen und die Verwendung von praxisorientierten Modellen, wie etwa der am SLF in Davos entwickelten Software RAMMS.

Was machen Sie, wenn Sie ein paar Minuten Zeit haben?
Den grössten Teil meiner Freizeit verbringe ich mit meiner Frau und meinen zwei Kindern. Weiterhin betreibe ich viel «Brettsport» wie Snowboarding (ehemaliger Profi) und Skateboarding. Ich spiele gerne Gitarre, fahre Velo, gehe Pilze suchen im Wald... Ich engagiere mich auch in der Öffentlichkeitsarbeit und nehme jedes Jahr mit einigen Snowboardfreunden an der Organisation einer Lawinenaufklärungsveranstaltung namens «Safety Shred Days» teil. Dabei geht es darum, die breite Öffentlichkeit, Kinder und Profis durch Konferenzen und praktische Workshops zu sensibilisieren.

Welchen Rat würden Sie Studierenden geben, die gerade mit den Bauingenieurwissenschaften beginnen?
Vor dem Hintergrund der Digitalisierung und des umfassenden Einsatzes computergestützter Verfahren in Industrie und Forschung würde ich ihnen empfehlen, sich auf dem Gebiet der Programmierung und numerischen Analyse zu schulen. Ich würde ihnen aber auch raten, sich ein sehr gutes Verständnis der zugrunde liegenden Physik anzueignen, tiefgründig zu denken und sich des Anwendungsbereichs und der Grenzen der von ihnen verwendeten Methoden bewusst zu sein. Zu guter Letzt, auch wenn wir vor herausfordernden Zeiten stehen, habt Spass und Freude bei der Lösung realer mechanischer Probleme!

Zur Forschungsgruppe von externe Seite Prof. Johan Gaume

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