Neues Leitsystem für Fische geht in Pilotphase
Forschende der Versuchsanstalt für Wasserbau, Hydrologie und Glaziologie (VAW) haben ein neuartiges Leitsystem zur Verbesserung des Fischschutzes vor Kraftwerksturbinen entwickelt. Kürzlich wurde beim ökologisch sanierten Kraftwerk Herrentöbeli das Schutzsystem in Betrieb genommen. Im Erfolgsfall liesse sich der Rechen an vielen weiteren Anlagen in der Schweiz und im Ausland einsetzen. Das Pilotprojekt wird vom Bundesamt für Umwelt unterstützt.
Der Fischleitrechen «Curved-Bar Rack» (CBR) besteht aus speziell gekrümmten Stäben, die im Wasser Druck- und Strömungsunterschiede erzeugen. «Die Fische erkennen diese Strömungssignale und interpretieren sie als Hindernisse», erklärt Robert Boes, Professor für Wasserbau, das System. «Folglich schwimmen sie am Rechen entlang und in Richtung eines sicheren Kanals, den Bypass». Auf diese Weise gelingt es, die Tiere unbeschadet an den Turbinen vorbeizuleiten. Gleichzeitig ist der Rechen so konzipiert, dass der Kraftwerksbetrieb nur geringfügig beeinträchtigt wird.
Das CBR-System wurde im Rahmen des EU-Forschungsprojekts «FIThydro» entwickelt und seit 2018 in einer Versuchsanlage der VAW mit Barben, Schneidern, Nasen, Atlantischen Lachsen, Europäischen Aalen und Bachforellen getestet. Für die Verhältnisse in Herrentöbeli wurde der Fischrechen weiter optimiert und den lokalspezifischen Gegebenheiten angepasst. An dieser aufwendigen interdisziplinären Orientierungsphase waren Bau- und Umweltingenieure, Stahlwasserbauer, Fischbiologen sowie Anlagentechniker beteiligt.
Vielversprechende Technologie
Der Alltagsbetrieb des Flusskraftwerks Herrentöbeli soll nun über zwei Jahre mit einem intensiven hydraulischen und fischbiologischen Monitoring begleitet werden. Nach Abschluss der Pilotphase wird sich zeigen, inwieweit das im Labor entwickelte Leitrechen-Bypass-System für die realen Verhältnisse an einem Gebirgsfluss geeignet ist.
«Im Erfolgsfall könnte dieses neuartige Schutzsystem an einer Vielzahl von Laufwasserkraftwerken zum Einsatz kommen, etwa an grossen Anlagen an den Mittellandflüssen», so Prof. Boes. «Gerade für solche Kraftwerke existiert bisher noch kein Fischschutz-System, welches sowohl aus Sicht des Kraftwerksbetriebs als auch mit Blick auf die energiewirtschaftlichen und fischbiologischen Anforderungen vielversprechend und erprobt ist».
Wiederherstellung der Fischwanderung
Das 2011 revidierte Schweizerische Gewässerschutzgesetz schreibt Massnahmen zur Wiederherstellung der Fischwanderung in den Flüssen vor. Aus diesem Grund musste Herrentöbeli saniert werden. Die Anlage wird von den St. Gallisch-Appenzellischen Kraftwerken (SAK) betrieben und liefert Strom für etwa 750 Haushalte. Aufgrund des grossen Potenzials wird das Pilotprojekt vom BAFU finanziell unterstützt.
Die Forschenden entwickelten den Fischleitrechen zusammen mit der Wälli Ingenieure AG und dem Stahlwasserbauer Fäh AG. Die zum Patent angemeldete Technologie wurde 2021 unter die Top 20 ETH-Technologien des Jahres gewählt. Die ETH Zürich vergibt den «Spark Award» jeweils für die vielversprechendste Erfindung, die zu einer Patentanmeldung geführt hat. Die Kriterien für die Bewertung sind Originalität, Patentstärke und Marktpotenzial.
Weitere Informationen
- externe Seite Projektseite der SAK
- Projektseite an der VAW
- Zur ETH News "Auf dem Weg zu fischfreundlichen Wasserkraftwerken"