Digital Underground: Lernen von Singapur

Die Raumplanung im Untergrund wird immer wichtiger. Im Rahmen des Pionierprojekts «Digital Underground» entwickelt ein internationales Forschungsteam unter Federführung der D-BAUG Professoren Martin Raubal und Andreas Wieser eine 3D-Kartierung des unterirdischen Raums in Singapur. Der digitale Zwilling soll helfen, bei Bauprojekten Zeit und Kosten zu sparen sowie die Sicherheit zu erhöhen. Die Kartierungsinitiative hat Modellcharakter und könnte zukünftig auch in der Schweiz zum Einsatz kommen.

Strassenansicht mit Auto in Singapur
«Digital Underground» hat in Singapur verschiedene Vermessungstechnologien getestet, darunter auch modernste Bodenradartechniken, die unterirdische 3D-Scans von Strassen erstellen können. (Bild: Digital Underground, SEC/D-BAUG/ETHZ)

Singapur will seine Planung im unterirdischen Raum verbessern. Doch bislang fehlte es an Daten, die genau dokumentieren, was unter dem Boden verlegt oder verbaut ist. «Will man eine Telefonleitung verlegen, weiss man nur ungefähr, wo man graben muss», erklärt Martin Raubal, Projektleiter von «Digital Underground» und Professor für Geoinformations-Engineering am D-BAUG. «Die Karten der Versorger geben die Lage von Leitungen mit einer möglichen Abweichung von bis zu zehn Metern an. Dadurch kann es zu Unfällen oder zu Verzögerungen bei Grabungsarbeiten kommen.»

Um diese Wissenslücken zu schliessen, wurde 2017 das Projekt «Digital Underground» (DU) ins Leben gerufen. Die Initiative ist eine Kooperation der Singapore Land Authority, des Singapore-ETH Centre (SEC) und der Stadt Zürich und weltweit der erste Versuch, neue Werkzeuge und Standards für ein hochgenaues Untergrund-Mapping in 3D zu entwickeln. Der Fokus des Projekts liegt auf einer Kartierung der obersten Untergrundschicht, wo die Versorgungsleitungen verlaufen.

Martin Raubal
«Der Dienstleiter würde die Strasse gar nicht erst aufgraben. Stattdessen würde die AR-Brille das exakte, aktuelle Bild des Untergrunds einspielen und so wäre es möglich, einen genau definierten Bereich abzustecken und gezielt zu graben.»
Martin Raubal
Prof. Martin Raubal

Strassenbau mit Augmented Reality

Mit einem digitalen Zwilling des Untergrunds könnte die Infrastrukturplanung zukünftig viel nachhaltiger werden. Denkbar sei etwa der Einsatz von Augmented-Reality-Brillen, so Prof. Raubal. «In diesem Fall würde der Dienstleister die Strasse gar nicht erst aufgraben. Stattdessen würde die AR-Brille das exakte, aktuelle Bild des Untergrunds einspielen und es so ermöglichen, einen genau definierten Bereich abzustecken und gezielt aufzugraben.»

Voraussetzung für eine solche virtuelle Planung sind hochgenaue Daten, die die technischen Infrastrukturen im Untergrund exakt visualisieren. Dafür sollen bestehende mit neu erfassten Daten kombiniert werden. Aber eben darin liegt eine der Herausforderungen des Projekts. Die alten Daten stammen von verschiedenen Dienstleistern, wie etwa Telekom-Anbieter und Energieversorger, die mit sehr unterschiedlichen Messverfahren und Standards arbeiten. Entsprechend heterogen ist der bestehende Datenpool. Im Übrigen sei es auch nicht immer einfach, an die gesuchten Informationen zu kommen, sagt der Geoinformations-Ingenieur.

Bessere Daten dank Qualitätskontrolle

Eine grosse Aufgabe von DU lag demnach zunächst darin, alle bestehenden Daten zu beschaffen und zu analysieren und – wo technisch möglich – in ein dreidimensionales Format zu konvertieren. In einem zweiten Schritt hat das Projektteam technische Standards und Vorschriften definiert, die vorgeben, wie die Unternehmen messen sollen. In der aktuellen Projektphase geht es um die Entwicklung einer Qualitätsplattform und spezifischer Workflows mittels derer eingeschickte Daten genau geprüft werden können.

Die Idee ist, dass zukünftig alle Daten einen Qualitätstest bestehen müssen, bevor sie in eine zentrale 3D-Geodatenbank eingespeist werden. Die in dieser Datenbank gesammelten Informationen wären dann die Basis für eine digitale Landkarte, die allen Stakeholdern eine Übersicht über bestehende und geplante Infrastrukturmassnahmen im Untergrund bieten könnte. Aktuell testet das Projektteam die digitalen Workflows mit verschiedenen Dienstleistern in einem Living Lab. Wenn alles planmässig verläuft, könnte die Singapore Land Authority das Projekt in zwei bis drei Jahren umsetzen.

Andreas Wieser
«Ein solches Mapping für eine nachhaltige Infrastrukturplanung kann man nur bewerkstelligen, wenn es gelingt, alle Stakeholder an einen Tisch zu holen und mögliche Konflikte und Konkurrenzen im Bereich des Datenaustauschs auszuloten.»
Andreas Wieser
Prof. Andreas Wieser

DU ist aber nicht nur ein technisches Projekt. Neben der Harmonisierung der Daten und Vermessungspraktiken spiele auch die Kommunikation mit den verschiedenen Akteuren eine wichtige Rolle, so Andreas Wieser, Stellvertretender DU-Projektleiter und Professor für Geosensorik und Ingenieurgeodäsie am D-BAUG. «Ein solches Mapping für eine nachhaltige Infrastrukturplanung kann man nur bewerkstelligen, wenn es gelingt, alle Stakeholder an einen Tisch zu holen und mögliche Konflikte und Konkurrenzen im Bereich des Datenaustauschs auszuloten.» Auch in dieser Hinsicht hätte DU Modellcharakter.

«Digital Underground CH», 6. September 2022

Am 6. September findet der eintägige Workshop «Digital Underground CH» statt. Ziel ist es, die Bedürfnisse und erforderlichen Massnahmen für den Aufbau des digitalen Untergrunds in der Schweiz zu identifizieren sowie notwendige Rahmenbedingungen und technische Lösungen zu diskutieren. Der Workshop beinhaltet Präsentationen von Fachleuten aus der Schweiz wie auch aus dem Ausland sowie eine moderierte Diskussion. Anmeldung erforderlich. Weitere Informationen hier.

JavaScript wurde auf Ihrem Browser deaktiviert