Ihre Stadt als digitaler Zwilling
Mit UrbanEcho will Grace Kagho die Basis für eine nachhaltige Stadtplanung in Ländern mit niedrigem Einkommen schaffen. Ihr Ziel: eine detaillierte digitale Duplikation der Städte und ihrer Bewohnerinnen und Bewohner.
Grace Kagho wartete in Lagos, in Nigeria, zum wiederholten Mal an der Haltestelle auf einen Schnellbus, der oft mit bis zu einer Stunde Verspätung kam. «Ich dachte, dass es möglich sein muss, das Transportsystem in Ländern wie Nigeria besser zu planen. Ich wusste nur nicht, wie», beschreibt sie die Initialzündung für ihr Start-up UrbanEcho.
Die junge Frau hatte eben ihren Bachelor in Computer Engineering an der Covenant-Universität in Nigeria abgeschlossen und startete kurz darauf in Japan am Tokyo Institute of Technology ins Master-Studium, inspiriert von ihrer Leidenschaft für Anime und ihrer Neugier auf andere Gesellschaftsformen. Die Frage nach der Lösung für die Verkehrssituation in Lagos liess Grace Kagho dabei nicht mehr los. Als Gastforscherin besuchte sie für drei Monate das Institut für Verkehrsplanung und Transportsysteme der ETH Zürich, eine der führenden Foschungseinrichtungen in diesem Bereich. Dort konnte sie den Verkehr in Lagos erstmals am Computer simulieren.
«Ich war fasziniert von den sich eröffnenden Möglichkeiten, und gleichzeitig erkannte ich zahlreiche Herausforderungen. Einerseits sind qualitativ hochstehende Daten für Lagos nur spärlich vorhanden, andererseits unterscheidet sich die Verkehrssituation in Entwicklungsregionen stark von der in der Schweiz», erklärt Grace Kagho. «Motorräder, die als Taxis funktionieren und Menschen spontan ein Stück mitnehmen, oder Transporter, die bis zu sechs Personen an unterschiedlichen Orten abholen und absetzen – um diese Optionen darzustellen, würde ich einen digitalen Zwilling benötigen, der den lokalen Kontext der jeweiligen Stadt berücksichtigt.»
Impact in Lagos und darüber hinaus
Die drei Monate in Zürich entfachten Grace Kaghos Forschungsfeuer noch stärker. Für ihr Doktorat kam sie 2019 mit dem Ziel an die ETH, ihre digitale Zwillingslösung zu entwickeln. Die Coronapandemie erschwerte die Datenbeschaffung in Lagos so stark, dass sie sich für ein alternatives Projekt entschied. Die Verzögerung hatte jedoch auch Vorteile. «Ich konnte an Studien zum Mobilitätsverhalten der Schweizer Bevölkerung während Covid mitarbeiten. Die Art und Weise, wie mit den Modellen Szenarien simuliert werden konnten, inspirierte die Weiterentwicklung von UrbanEcho», führt Grace Kagho aus.
«Ich beschloss, ein Modell eines digitalen Reisenden zu erschaffen, ein virtuelles Abbild, das die menschliche Interaktion in der realen städtischen Umgebung widerspiegelt. Dies erlaubt eine Momentaufnahme nicht nur des Mobilitätsverhaltens, sondern zahlreicher Faktoren wie der Wohnsituation oder des Energieverbrauchs. So können wir zukünftig Auswirkungen unterschiedlicher Massnahmen digital testen und die Planung anpassen. Und die Art von Stadt entwerfen, in der ich und zukünftige Generationen tatsächlich leben möchten.»
«Ich will dazu beitragen, dass wir die Art von Stadt entwerfen, in der ich und zukünftige Generationen tatsächlich leben möchten.»Grace Kagho
Wachsen mit Weitsicht
Das Ziel von Grace Kagho ist, ihre Modelle für Lagos so zu konzipieren, dass sie mithilfe maschinellen Lernens unkompliziert für weitere Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen adaptiert werden können. UrbanEcho birgt für die Bevölkerung dieser Länder, in denen Städte rasant wachsen, grosses Potenzial. Ob Standortwahl für eine neue Schule oder Strassenbau: Durch Simulationen könnte sichergestellt werden, dass mit den vorhandenen Ressourcen das Optimum für die ansässigen Menschen rausgeholt wird. Potenzielle Kunden sind neben Städteplanerinnen und Entscheidungsträgern aus der Politik humanitäre Organisationen wie Unicef oder die Vereinten Nationen (UN).
In ihrem Vorhaben wird die junge Frau durch ein von Gönnerinnen und Gönnern ermöglichtes Social Impact Pioneer Fellowship der ETH unterstützt. «Projekte in Entwicklungsregionen erfordern Geduld und Zeit. Durch das Fellowship kann ich dem Projekt diese Zeit geben. Es ist ein Sprungbrett, um meine Vision umzusetzen, und gibt mir Zugang zu wertvollen Netzwerken», beschreibt Grace Kagho, die in Nigeria vor zehn Jahren bereits eine gemeinnützige Bildungsplattform für junge Schülerinnen und Schüler gründete. «Ich bin stolz darauf, dass ich mit meinem Know-how innovative Lösungen für aufstrebende Städte und deren Bevölkerungen schaffen kann.»
Weitere Links
- externe Seite UrbanEcho
- Institute for Institut für Verkehrsplanung und Transportsysteme (IVT)
- externe Seite Social Impact Pioneer Fellowship