ETH ALIVE (Advanced Engineering with Living Materials) bringt Forschende aus unterschiedlichen Disziplinen zusammen, um neue Materialien für eine Vielzahl von Anwendungen zu entwickeln. Das Spektrum reicht von Medizin, Biotechnologie und Materialwissenschaften bis hin zu Robotik, klimabezogener Forschung und Werkstoffentwicklung. Neben dem Aufbau modernster Forschungsinfrastruktur ist die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses ein zentrales Ziel der Initiative.
Am D-BAUG sind die Forschungsgruppen von Eleni Chatzi, Ueli Angst und Ingo Burgert mit ihren ALIVE Fellows Teil der interdisziplinären ETH-Initiative. Zum Auftakt des Herbstsemesters fand das erste ALIVE Symposium mit externen Experten statt, bei dem die Ergebnisse der ersten Programmphase (2021-24) präsentiert wurden. D-BAUG News sprach in diesem Rahmen mit dem Doktoranden Robert Kindler von der Professur für Holzbasierte Materialien (ETH und Empa).
Robert, was sind Living Materials?
Living Materials bestehen häufig aus zwei Komponenten: lebenden Organismen wie zum Beispiel Pilzen oder Bakterien, die gezielt für bestimmte Aufgaben programmiert werden können, und einem Trägermaterial, in das diese Organismen eingebettet werden. Die Organismen nutzt man aufgrund ihrer Stoffwechseleigenschaften. Damit lassen sich zum einen komplexe Substanzen gegebenenfalls einfacher produzieren, zum anderen reagieren Organismen unterschiedlich auf äussere Einflüsse. Dank dieser Fähigkeiten versuchen wir Materialien mit einzigartigen Eigenschaften zu entwickeln, die über die Möglichkeiten herkömmlicher, nicht lebender Materialien hinausgehen könnten. Beispiele hierfür sind die Fähigkeit zur Selbstheilung bei Beschädigungen oder die Detektion bzw. angepasste Reaktion auf Umwelteinflüsse.
Aber lassen sich solche neuen Materialien nicht einfacher industriell herstellen?
Tatsächlich kann man bei der Entwicklung von Materialien viel von der Natur lernen. Darum haben in den letzten Jahren weltweit immer mehr Forschende begonnen, das Potenzial von Bakterien, Algen oder Pilzen als «winzige Fabriken» zu untersuchen, um komplexe Materialien nachhaltiger herzustellen. Damit ist gemeint, dass Organismen in der Lage sind, bei Umgebungstemperatur und normalem Druck, höchst effizient, komplexe Materialien wie Knochen, Muskeln, Membranen und vieles mehr herzustellen. Wenn wir uns dagegen von Menschen eingesetzte Fertigungsschritte ansehen, benötigen wir oft hohe Temperaturen, hohen Druck, Lösungsmittel etc.
Welche Herausforderungen gibt es bei der Arbeit mit Living Materials?
Die grösste Herausforderung bei der Arbeit mit lebenden Organismen besteht darin, sie so zu kontrollieren und zu steuern, dass sie die vorgesehenen Prozesse möglichst immer mit dem gleichen Ergebnis durchführen. Daher müssen wir eine Vielzahl von Bedingungen wie Temperatur, pH-Wert und Nährstoffe optimieren, um sicherzustellen, dass sich die Organismen wie gewünscht verhalten. Eine weitere grosse Herausforderung ist die Hochskalierung dieser Prozesse. Mikroorganismen sind zwar sehr effizient bei der Herstellung von Materialien im Mikrometerbereich, aber es kann sehr schwierig sein, den Prozess stabil aufrechtzuerhalten, wenn grössere Dimensionen das Ziel sind.