Die Verbindung zwischen Schmelz- und Grundwasser in Bergregionen
Eine internationale Gruppe von Gebirgshydrologen weist darauf hin, dass die Wechselwirkung zwischen Kryosphäre und Grundwasser bei Betrachtungen des Gebirgswasserkreislaufs bisher weitgehend unberücksichtigt bleibt. Die Vernachlässigung dieses Aspekts könnte speziell vor dem Hintergrund des Klimawandels zu unvollständigen oder unpräzisen Vorhersagen der Wasserverfügbarkeit in Bergregionen führen, so das Expertenteam in einem kürzlich erschienenen Perspective Paper.
Gebirge werden häufig als Wasserschlösser der Welt bezeichnet, da sie Ökosysteme und Millionen von Menschen in den stromabwärts gelegenen Gebieten mit Trinkwasser versorgen. Besondere Bedeutung im Wasserhaushalt der Bergregionen kommt der Schnee- und Gletscherschmelze zu, die die Wasserversorgung in den wärmeren und trockeneren Monaten des Jahres gewährleistet.
Dennoch ist die Verbindung zwischen Schmelz- und Grundwasser noch nicht ausreichend erforscht, sagt Marit van Tiel, Erstautorin und Postdoktorandin am ETH-Departement Bau, Umwelt und Geomatik. Insbesondere ist noch wenig bekannt darüber, wie viel Schmelzwasser der Gletscher direkt in die Flüsse fliesst und wie viel über die Bodenschichten ins Grundwasser sickert. Dieses Wissen ist jedoch wichtig, um zu verstehen, wie sich Oberflächengewässer und Grundwasser im Zuge des Klimawandels verändern werden, und ein nachhaltiges Wassermanagement zu planen.
Herausforderungen für nachhaltiges Wassermanagement
Nach Zusammenfassung der bisherigen Forschungsergebnisse kommt das Expertenteam zu folgendem Schluss: Schmelzwasser kann umfangreiche Beiträge zum Grundwasser leisten, die Schätzungen klaffen jedoch weit auseinander. Die Erforschung des Zusammenhangs von Schmelz- und Grundwasser ist umso komplizierter, als sich Grundwasser in abgelegenen Bergregionen nur schwer direkt messen lässt. Forschende müssen dazu alternative, häufig stark arealspezifische Ansätze entwickeln, was die Vergleichbarkeit der Studien einschränkt.
Offen ist auch die entscheidende Frage, inwiefern sich die Verbindung von Kryosphäre, Grundwasser und dem übrigen Wasserkreislauf in Gebirgen in Zeit und Raum auswirkt. Aus Erkenntnissen, wie das Schmelzwasser räumlich und zeitlich ins Grundwasser und die Oberflächengewässer abwandert, lässt sich ableiten, wo, wann und wie schnell das ursprüngliche Schmelz- mit dem Grundwasser über Quellen wieder aufsteigt, in Oberflächengewässer abfliesst oder aus Grundwasserbrunnen in niedrigeren Lagen gepumpt werden kann. Dies ist ein wichtiger Faktor für nachhaltiges Wassermanagement sowohl in Berggemeinden als auch den tiefergelegenen Versorgungsgebieten.
Integrierte Forschungsansätze notwendig
Das Team aus Experten der Fachbereiche Gebirgshydrologie, Glaziologie, Hydrogeologie, Schneehydrologie, Wasserchemie und Sozio-Hydrologie betont, dass sich Wasserbewegungen und -speicherung in Hochgebirgsregionen niemals umfassend nachvollziehen lassen werden, solange die Verbindung zwischen Kryosphäre und Grundwasser ausser Acht gelassen wird.
Unter dem Einfluss der globalen Erwärmung geraten diese empfindlichen Gebiete durch Beschleunigung des Gletscherschwunds, Verringerung der Schneedecken und Veränderung der Niederschlagsmuster stark unter Druck. Umso notwendiger ist ein tiefgreifendes Verständnis der Zusammenhänge, um besser einschätzen zu können, inwieweit die Klimaerwärmung die Wasserversorgung in den Bergen beeinträchtigen wird.
Die Experten fordern stärker integrierte Forschungsansätze unter Einbindung der Kryosphärenforschung, Hydrologie, Gebirgshydrologie und Klimamodellierung, um diese Prozesse zu quantifizieren und besser zu verstehen.
Literaturhinweis
Marit van Tiel et al.
externe Seite Cryosphere–groundwater connectivity is a missing link in the mountain water cycle
Nature Water (July 2024), DOI: 10.1038/s44221-024-00277-8
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